Glutenunverträglichkeit: Weizen und weizenverwandte Getreide

person Geschrieben von: Miraherba list Im: Gesundheit Auf: comment Kommentar: 1 favorite Hit: 13396
Glutenunverträglichkeit: Weizen und weizenverwandte Getreide
Glutenfreie Lebensmittel sind in: In letzter Zeit sind wir in der Naturheilpraxis immer häufiger damit konfrontiert, dass unsere Patienten befürchten, an Zöliakie oder Weizenunverträglichkeit zu leiden. Daher ist es mir wichtig, das Thema Zöliakie, Glutenunverträglichkeit und Weizen näher zu untersuchen. Informieren Sie sich!

Seit einigen Jahren werden wir in unserer Naturheilpraxis immer häufiger damit konfrontiert, dass unsere Patientinnen und Patienten befürchten, an Zöliakie oder Weizenunverträglichkeit erkrankt zu sein. Um diesbezüglich eine differenzierte Aussage machen zu können, ist es wichtig herauszufinden, mit welchen Symptomen sich diese Unverträglichkeit äußert, seit wann sie besteht und wie sich die tägliche Ernährung der betroffenen Personen zusammensetzt. Oft sind sie so verunsichert, dass es ihnen schwerfällt, einen ausgewogenen Ernährungsplan zusammenzustellen, was sich wiederum auf das psychische Wohlbefinden auswirkt. Daher ist es mir wichtig, das Thema Zöliakie, Glutenunverträglichkeit und die verschiedenen Getreidearten rein faktisch zu beleuchten.

 

Glutenfrei ist in: Die Geringschätzung von Weizen in der Moderne

Der Weizen zählt zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschheit und wurde bereits vor 8.000-10.000 Jahren in seiner Wildform gesammelt und angebaut. In letzter Zeit steht der Weizen zunehmend in schlechtem Licht da, doch nur wenige der Vorwürfe sind wissenschaftlich belegt. Sicherlich ist korrekt, dass die heutigen Weizensorten ertragreicher und resistenter sind oder über bessere Backeigenschaften verfügen als ihre Urformen. Unbestreitbar gibt es auch anerkannte Krankheitsbilder, die mit dem Getreidekonsum in Verbindung stehen und auch faktisch ist die Zahl der Menschen angestiegen, die an Zöliakie leiden. Jedoch werden Thesen häufig aus dem wissenschaftlichen Kontext gerissen, verschiedene Sachverhalte miteinander vermischt und fadenscheinige, tendenziöse Argumentationen geführt, die den Weizen als Buhmann in die Ecke stellen.

 

Glutenfreie Ernährung - wann ist sie notwendig?

Für Gesunde ist der Verzicht auf glutenhaltige Getreideprodukte oder alles Weizenhaltige unnötig. Der Irrglaube, eine gluten- oder weizenfreie Ernährung helfe beim Abnehmen, sei gesünder und bewirke ein jüngeres Aussehen, ist eine Modeerscheinung aus dem angloamerikanischen Raum.

Eine rein glutenfreie Ernährung ist nur dann notwendig, wenn Zöliakie, auch einheimische Sprue genannt, oder die tropische Sprue diagnostiziert wurde. Das Klebereiweiß Gluten findet man in den gängigen Brotgetreiden Weizen, Dinkel, in den sogenannten Urformen des Weizens (Emmer, Einkorn, Kamut), sowie in Roggen und Gerste. Hafer enthält Gluten, unterscheidet sich jedoch in der Aminosäuresequenz von anderen glutenhaltigen Getreidegattungen und scheint nicht im gleichen Umfang für Zöliakiekranke schädigend zu sein.

 

Zöliakie, Weizenallergie, Weizensensitivität und Nocebo

Von Zöliakie, also Glutenunverträglichkeit, sind in Deutschland derzeit etwa 0,3-0,5 Prozent der Bevölkerung betroffen. Bei der Autoimmunerkrankung Zöliakie löst die Aufnahme von Gluten eine immunologisch vermittelte Entzündung aus. Als Folge bilden sich die Darmzotten zurück und die Nährstoffaufnahme wird gestört. Die Erkrankten leiden an heftigen Durchfällen und es kommt häufig zu krampfartigen Bauchschmerzen nach der Nahrungsaufnahme sowie zu anderen Ausfallerscheinungen. Dies kann bereits durch Spuren von Gluten in der Nahrung ausgelöst werden und ist eine ernstzunehmende Erkrankung.

Weizenallergie

Bei einer Weizenallergie kommt es ebenfalls zu einer immunologischen Reaktion gegen Weizenproteine. Anders als bei Zöliakie handelt es sich um IgE- bzw. T-Zell-vermittelte Reaktionen gegen die verschiedenen Weizenproteine wie Gliadin, Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI) oder Thioredoxin. Betroffene reagieren häufig auch auf andere Getreidearten empfindlich. An einer Weizenallergie leidet etwa einer von tausend Menschen in Deutschland. Nachweisen lässt sie sich durch einen Pricktest und IgE-Antikörper im Blut.

Weizensensitivität

Eine dritte Weizenunverträglichkeit ist die Weizensensitivität. Symptome wie Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall, aber auch allgemeine Beschwerden wie Müdigkeit, Leistungsabfall und Schwäche können zwar denen von Zöliakie ähneln. Betroffene leiden allerdings nachweislich weder unter einer Zöliakie noch unter einer Allergie, obwohl sie mit klinischen Symptomen auf Weizen, Gerste und Roggen reagieren.      
In den 1980er Jahren entdeckten Mediziner einen vermeintlichen Zusammenhang zwischen Gluten und den auftretenden Beschwerden und nannten die Unverträglichkeit Glutensensitivität. Mittlerweile gehen Experten wie Prof. Detlef Schuppan (Johannes-Gutenberg Universität Mainz und Harvard Medical School Boston) davon aus, dass hieran jedoch nicht das Klebereiweiß schuld ist und tauften die Glutensensitivität zur Weizensensitivität um.

Gluten im Getreide: Urweizen vs. Hochleistungsgetreide

In Deutschland sind sehr groben Schätzungen zufolge 0,5-7 Prozent der Bevölkerung von der Weizensensitivität betroffen, wobei Frauen wohl häufiger als Männer darunter leiden. In Untersuchungen verglich das Team um Prof. Schuppan die Reaktion des Immunsystems auf alte Urgetreidesorten mit Reaktionen auf gezüchtete Hochleistungsgetreide. Dabei fanden sie heraus, dass wahrscheinlich Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI) die Verursacher für die Beschwerden sind. Diese Protein-Bestandteile kommen in Getreide als natürliche Abwehrstoffe gegen Parasiten und Krankheiten vor. Da sie zusammen mit Gluten auftreten, war eine Differenzierung der Wirkungsursache bislang schwer festzustellen. Aufgrund der Züchtung von Hochleistungssorten hat der Gehalt an ATI im Weizen zugenommen. „Die Gene, die für die ATI-Bildung nötig sind, gab es zwar bereits in alten Weizenkulturen. Moderne Züchtungen enthalten aber etwa zwei- bis dreimal so viele ATIs wie ältere Sorten; in Dinkel sind es im Vergleich zu modernem Weizen etwa halb so viele“, erläutert Schuppan seine Forschung zu den unverträglichen Proteinbestandteilen. „Relevant sind ATIs hauptsächlich bei Weizen, Gerste und Roggen. Ihr Vorhandensein ist ganz stark an den Glutengehalt gekoppelt.“

Wie verbreitet ist der Nocebo-Effekt bei Weizen?

Einige Wissenschaftler geben zu bedenken, dass auch ein Nocebo-Effekt im Zusammenhang mit weizenhaltigen Lebensmitteln auftreten könne. Das heißt, dass vermeintlich Betroffene eine negative Wirkung nach dem Konsum bestimmter Lebensmittel erwarten und diese daraufhin auch eintritt. Da mittlerweile ausreichend Studien auf das tatsächliche Vorhandensein einer Weizensensitivität hindeuten, ist der Nocebo-Effekt umstritten. Dennoch müssen zur Erklärung der genauen Wirkmechanismen weitere klinische Studien durchgeführt werden.

Quelle: Fischer, J: UGBforum 1/15, S. 10-12.

 

Glutenfreie und glutenhaltige Alternativen zum Weizen

Glutenfreies Getreide - Amaranth und co.     

Sollten Sie unter einer Glutenunverträglichkeit leiden, können Sie auf viele andere glutenfreie Getreidesorten ausweichen, wie - um nur einige zu nennen - Amaranth, Buchweizen, Quinoa, Reis oder Hirse. 

Hier finden Sie eine große Auswahl an glutenfreien Lebensmitteln.

Während Weizen der "allrounder" unter den Getreiden ist, haben die anderen Getreidesorten spezielle Eigenschaften und Einsatzgebiete, für die sie besonders geeignet sind. Sie eignen sich sehr gut als Alternative oder Weizenersatz bei Weizenunverträglichkeit.

Dinkel, Emmer und Einkorn: alte weizenverwandte Getreidesorten

Der Dinkel war das Lieblingsgetreide der Hildegard von Bingen, so hob sie seine blutverdickende und kräftigende Qualität hervor. Die ersten Anbaugebiete Deutschlands – ab etwa 500 nach Christus – waren Baden-Württemberg und Franken, weswegen der Dinkel auch den Beinamen "Schwabenkorn" erhielt. Ortsbezeichnungen wie "Dinkelsbühl" (mit drei Dinkelähren im Stadtwappen) zeugen noch heute von der damaligen Popularität dieser Getreideart. Bis ins 18. Jahrhundert stellte der Dinkel in diesen Regionen eines der wichtigsten Handelsgetreide dar. Bereits vor etwa 8.000 Jahren soll Dinkel von den Ägyptern angebaut worden sein. Später verbreitete er sich mittels Völkerwanderung bis nach Mittel- und Nordeuropa.

Das Getreide überzeugt vor durch seinen kräftigen, nussigen Geschmack und die guten Klebereigenschaften. Dinkel lässt sich gut zu Hefegebäck, Rührteig und Brot verarbeiten. Da der Dinkel mehr Randschichten als Weizen besitzt, wird für den Teig mehr Flüssigkeit benötigt; man erhält einen klebrigen, zähen Teig, der aber ein sehr lockeres Gebäck ergibt.

Das Ur-Getreide Emmer, im Volksmund auch Sommerdinkel genannt, wurde bisher nur in geringem Umfang von Spezialisten und Liebhabern angebaut. Die Pflanze lässt sich in Europa bis 5000 v. Chr. zurückverfolgen. Ihren Ursprung hat sie im Nahen Osten, wo sie seit mindestens 10.000 Jahren angebaut wird. Durch die Ausbreitung des Ackerbaus kam der Emmer von Westpersien über Ägypten, Nordafrika und den Balkan bis nach Mitteleuropa. Emmer ist sehr eiweißreich und ergibt beim Mahlen ein grießiges Mehl. Er eignet sich vor allem für herzhafte Hefe- und Sauerteige, für Brötchen, Pizza oder Nudeln.

Die neuen Emmernudeln von Rapunzel sind eine tolle Alternative!

Einkorn ist ein zartes kleines Getreidekorn, das ein gelbliches Mehl ergibt. Es enthält überdurchschnittlich viel Protein, Mineralstoffe und Carotinoide. Mit seinem milden Aroma lässt sich Einkorn gut für Pfannkuchen, Waffeln und Sauerteige verwenden. Auch leckere Kuchen aus Rühr- und Biskuitteig sowie Mürbegebäck gelingen damit.

Kamut – Khorasan Weizen ist eine alte Sorte des Sommer-Weizens und zählt, wie Einkorn und Emmer, zu den ältesten kultivierten Getreidearten. Die alten Getreidearten liefern weit geringere Erträge als die neueren Kulturformen. Sie sind anspruchsloser und unempfindlicher gegenüber Krankheiten und Schädlingsbefall. Da Kamut kaum auf Kunstdünger anspricht, war die Sorte für die konventionelle Landwirtschaft nie interessant. Es ist ein ideales Korn für den Bio-Anbau, das allerdings warmes und trockenes Klima bevorzugt, was den Anbau in Deutschland aufgrund der klimatischen Voraussetzungen schwierig macht. Er eignet sich gut für herzhafte und kräftige Backwaren wie Pizza oder selbstgemachte Pasta.

 

Eine franzoesische Baeckerei mit vielen verschiedenen Sorten Brot.

 

Ob glutenfrei oder nicht - was man beim Kauf von Getreideprodukten beachten sollte

Alle hier aufgeführten Getreidesorten enthalten eine Vielzahl an Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen. Es gibt nicht die bessere oder weniger gute Getreidesorte - die Hauptsache ist, dass Sie Ihren Getreidekonsum abwechslungsreich gestalten, Ihr verwendetes Getreide aus einem kontrolliert biologischen Anbau stammt, keine Lagerungspestizide enthält und möglichst frisch gemahlen verwendet wird, so dass die flüchtigen Bestandteile erhalten bleiben.       
Für eine ausgeglichene und gesunde Ernährung ist es vor allem wichtig, alle Lebensmittel direkt zu verarbeiten und auf künstliche Konservierungsmittel, Farbstoffe, Geschmacksverstärker, Zuckerstoffe und sonstige Zusätze, wie sie in Fertigprodukten oft enthalten sind, zu verzichten.

Achten Sie gerade beim Kauf von Backwaren auf Qualität statt auf den Preis!

Wählen Sie einen guten Bäcker, der seine Produkte aus möglich frisch gemahlenem Getreide aus kontrolliert biologischem Anbau mit natürlichen Triebmitteln herstellt und auf die üblichen Teig- und Backhilfsmittel verzichtet. Oder backen Sie einfach selbst! Tipp: Meine Kinder schwören auf die ausgefallenen Rezepte von Vegan Guerilla.

 

Alle erwähnten Getreidesorten finden Sie natürlich auch in unserem Shop.

 Experimentieren Sie mit unseren zahlreichen Getreidesorten!

Ob selbst gemischtes Müsli, Brot oder Nudeln - wir sind auf die Ergebnisse gespannt!

 

 

Autorin: *Sabine Deutscher* ist studierte Ayurvedamedizinerin, Heilpraktikerin und Naturkostladenbesitzerin der beinahe ersten Stunde (seit 1981). Sie ist nicht nur erfahrene Medizinerin und Geschäftsführerin, sondern auch begeisterte Yogini, Motorradfahrerin, Kräuterweiblein und politische Aktivistin.



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Tags: miraherba

Bemerkungen

Erstellt am Wednesday, November 15, 2023 Geschrieben von Art Linthicum Kommentar Link
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